Gilgamesch-Epos

Tafel mit Gilgamesch-Epos

Das Gilgamesch-Epos beziehungsweise Gilgameš-Epos ist der Inhalt einer Gruppe literarischer Werke, die vor allem aus dem babylonischen Raum stammt und eine der ältesten überlieferten, schriftlich fixierten Dichtungen enthält. Das Gilgamesch-Epos in seinen verschiedenen Fassungen ist das bekannteste Werk der akkadischen und der sumerischen Literatur.

Als Gesamtkomposition trägt es den ab der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. belegten Titel „Derjenige, der die Tiefe sah“ (ša naqba īmuru). Unter anderem bietet das Epos eine Sequenz, in der es dem Helden Gilgamesch auf der am östlichen Rand der Welt gelegenen Insel Dilmun gelingt, in die Tiefe des kosmischen Urgewässers hinabzutauchen, welches nach Auskunft des Priesters Atraḫasis – im Gilgamesch-Epos Utanpištim genannt – das Kraut der Unsterblichkeit birgt und die Quelle einer von der sumerischen Gottheit Enlil ausgelösten Sintflutkatastrophe darstellt.[1] In einer früheren Fassung, die wahrscheinlich der altbabylonischen Zeit (1800 bis 1595 v. Chr.) entstammt, war das Epos unter dem Titel „Derjenige, der alle anderen Könige übertraf“ (Šūtur eli šarrī) bekannt.

Die umfassendste Version, das sogenannte Zwölftafel-Epos des Schreibers Sîn-leqe-unnīnī, ist auf elf Tontafeln aus der Bibliothek des assyrischen Königs Aššurbanipal erhalten. Eine zwölfte Tafel mit einem Auszug aus dem eigenständigen Gedicht Gilgamesch, Enkidu und die Unterwelt wurde dem Epos angehängt. Von den einst über 3000 Versen des Epos sind nicht ganz zwei Drittel aus verschiedenen Überlieferungssträngen bekannt.

In dieser Version schildert das Epos die Geschichte Gilgameschs als eines sein Volk anfänglich schwer bedrängenden Königs von Uruk, den Beginn seiner Freundschaft mit Enkidu und ihre gemeinsamen Heldentaten, aber auch den Tod Enkidus und Gilgameschs verzweifelte Suche nach der Unsterblichkeit. Am Ende muss der Held einsehen, dass diese nur den Göttern gegeben, Leben und Sterben hingegen Teil der menschlichen Natur ist. Rainer Maria Rilke nannte es das „Epos der Todesfurcht“.[2]

Das vorhandene Schriftmaterial erlaubt die Rückdatierung der ursprünglichen Fassung bis mindestens in das 18. Jahrhundert v. Chr., reicht aber wahrscheinlich in die Abfassungszeit des Etana-Mythos im 24. Jahrhundert v. Chr. zurück.[3] Belegt sind ebenfalls Bezüge zum Epos Atraḫasis, u. a. über die dort beschriebene Leistung der sumerischen Götter, aus dem Lehm der mesopotamischen Steppe Eden ein erstes Menschenpaar erschaffen zu haben. Aus dem gleichen Stoff ins Leben gebracht, übernimmt diese Rolle im Epos Enkidu, der zunächst als unbezwingbarer Tiermensch gilt, der die Steppe in Gemeinschaft mit seiner Herde durchstreift und zu ihrem Schutz den Jagdbetrieb der Stadt Uruk sabotiert, über seine gezielt herbeigeführte Menschwerdung aber zum Freund Gilgameschs vorbestimmt ist, mit der Absicht der Götter, auch ihn zu veredeln. Aus dem jugendlich übermutigen Gilgamesch soll ein weiser Herrscher werden.

In immer neuen Anpassungen und Redaktionen wurde das Epos den historischen Bedingungen der jeweiligen Zeit angeglichen. Es war über Jahrhunderte grundlegende Schullektüre im Vorderen Orient und wurde selbst ins Hethitische und Hurritische übersetzt. Auch eine elamische Version ist bekannt.[4] Noch der um 200 n. Chr. schreibende Römer Aelian erwähnt Gilgamesch, von ihm Gilgamos genannt, als mythischen König der Babylonier.[5]

  1. Wer baute die babylonische Arche? Ein neues Fragment der mesopotamischen Sintfluterzählung aus Assur. Abgerufen am 11. November 2023.
  2. Rainer Maria Rilke in einem Brief vom 31. Dezember 1916 an Helene von Nostitz; siehe Rainer Maria Rilke, Helene von Nostitz, Oswalt von Nostitz (Hrsg.): Rainer Maria Rilke, Helene von Nostitz: Briefwechsel. Insel-Verlag, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-458-05983-0, S. 99.
  3. Claus Wilcke: Vom göttlichen Wesen des Königtums und seinem Ursprung im Himmel. In: Franz-Reiner Erkens: Die Sakralität von Herrschaft – Herrschaftslegitimierung im Wechsel der Zeiten und Räume: Fünfzehn interdisziplinäre Beiträge zu einem weltweiten und epochenübergreifenden Phänomen. Akademie-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003660-5, S. 67.
  4. Igor Michailowitsch Djakonow, N. B. Jankowska: An Elamite Gilgameš Text from Argištihenele, Urartu (Armavir-blur, 8th Century B. C.) In: Zeitschrift für Assyriologie. Band 80, 1990, S. 102–123.
  5. Aelian: De natura animalium 12,24.

Gilgamesch-Epos

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